Clubgeschichte

Eine Fahrkarte  nach Jerusalem -

Der Club und seine jüdischen Mitglieder

In einem ungenutzten Keller auf dem Vereinsgelände fanden sich fünfzehn unscheinbare Kartons, prall gefüllt mit rund 12.000 Karteikarten von Mitgliedern des 1. FC Nürnberg. Die Kartei deckt den Zeitraum von Januar 1928 bis November 1955 ab und damit auch die Zeit des Nationalsozialismus. Ein Fund von unschätzbarem Wert, denn unter den Vereinen der 1. und 2. Bundesliga verfügt nur noch Hertha BSC über eine solch vollständige Mitgliederkartei, die die NS-Zeit umfasst.

Stellung des Vereins zur Judenfrage

Bis 1933 waren rund sieben Prozent der 520.000 Juden in Deutschland in konfessionsneutralen Sportvereinen organisiert. Bei einem Treffen in Stuttgart am 9. April 1933 verabschiedeten dann 14 Vereine des Süddeutschen Fußball- und Leichtathletikverbands – darunter der 1. FC Nürnberg, Bayern München, 1860 München, Eintracht Frankfurt, die SpVgg Fürth, der 1. FC Kaiserslautern und die Stuttgarter Kickers – eine Resolution, wonach sie sich „freudig und entschieden der nationalen Regierung zur Verfügung“ stellten. Sie taten dabei ihren Willen kund, die jüdischen Mitglieder aus den Vereinen zu entfernen.

Schon knapp drei Wochen später, am 27. April 1933, beschloss der Verwaltungsausschuss des 1. FC Nürnberg einstimmig die „Stellung des Vereins zur Judenfrage“. Der Club strich demnach „die jüdischen Mitglieder mit Wirkung vom 1. Mai 1933 aus seiner Mitgliederliste“. Schon am nächsten Tag, setzte der 1. FCN per Brief seine jüdischen Mitglieder davon in Kenntnis. Ein solches vom 2. Vorsitzenden Karl Müller unterzeichnetes Schreiben – adressiert an den jüdischen Kaufmann Franz Anton Salomon („Wertes Mitglied … mit sportlicher Hochachtung“) – findet sich im Leo Baeck-Institut in New York.

Hinter den Namen verbergen sich bewegende Biografien

Bislang war Franz Anton Salomon das einzig bekannte jüdische Mitglied, das 1933 aus dem Club ausgeschlossen wurde. In der Kartei fanden sich nun insgesamt 147 Mitglieder mit dem Stempel „30. APR. 1933“ oder einer entsprechenden Bemerkung in der Rubrik „Austritt“. In Kooperation mit dem Stadtarchiv Nürnberg konnte Club-Historiker Bernd Siegler herausfinden, dass 142 davon tatsächlich jüdischen Glaubens waren.

Aufwändige Recherchen ergaben, dass sich hinter den Namen sehr bewegende Biografien verbergen. Viele jüdische Club-Mitglieder konnten emigrieren, meist in die USA, nach Großbritannien oder Palästina. Sie überlebten oft erst nach einer wahren Odyssee. Andere hatten weniger Glück. Sie wurden in den Konzentrations- bzw. Vernichtungslagern Auschwitz, Riga-Jungfernhof, Majdanek, Theresienstadt, Stutthof sowie im Ghetto Izbica ermordet bzw. für tot erklärt.

Der Geschichte ein Gesicht geben

Mit der Kartei besitzt der Club nun die Grundlage, den in der NS-Zeit aus dem Verein ausgeschlossenen jüdischen Mitgliedern ein Gesicht zu geben und ihre Biografien öffentlich zu machen.  Club-Historiker Bernd Siegler recherchiert mit Unterstützung des Stadtarchivs derzeit die Biografien aller jüdischen Mitglieder, die zum 30. April 1933 aus der Mitgliederliste gestrichen wurden. Weitere Recherchen zu jüdischen Mitgliedern, die in späteren Jahren aus dem Verein geworfen wurden, laufen ebenfalls.

Geplant sind ein Buch und eine Ausstellung zu diesem Thema.